Die Eiche ist ein echtes Sensibelchen
Rheininsel: Die Natur braucht den Menschen inzwischen doch, um in Zeiten des menschengemachten Klimawandels in Vielfalt zu überleben
Zwischen dem Wald, seiner Bewirtschaftung und dem Wissen der Bürger darüber gibt es immer wieder Mal Gräben. Häufig, so der Forstbereichsleiter Bernd Schneble und der Revierförster Andreas Kolb, während der jüngsten – vom Umweltstammtisch initiierten – Rheininselbegehung, werde vergessen, dass der Wald ein dynamisches System sei. „Der ständige Wandel ist sein Status.“
Manche Maßnahmen, die der Forst BW als zuständige Behörde angehe, sähen im ersten Moment manchmal massiv aus. Aber die Bürger könnten sich darauf verlassen, dass es immer im Sinne des Waldes sei. Gerade die oft zitierte deutsche Eiche brauche den Menschen. „Ihr muss im Wald immer wieder Platz verschafft werden.“
Aber auch der Erhalt der Artenvielfalt bedarf immer wieder des menschlichen Tuns. Das mag paradox klingen, doch die über Jahrhunderte entstandene Kulturlandschaft würde ohne menschliche Eingriffe verloren gehen. Wiesen seien dafür gute Beispiele. Sie, die ja meist auch Hotspots der Artenvielfalt seien, würden ohne menschliche Pflege verloren gehen. Der Wald, das ist auf der Rheininsel gut zu sehen, müsse immer wieder zurückgedrängt werden, um die Wiesenlandschaft zu erhalten.
Bevor es mit der Rheininselbegehung losging, begrüßte der Vorsitzende des Umweltstammtisches, Matthias Ihrig die Teilnehmer. Er freute sich sichtlich darüber, dass es erneut geklappt habe. Auch wenn wegen des Wetters nicht allzu viele Bürger gekommen waren, sei diese Waldbegehung wichtig. Diese 476 Hektar, die seit 1983 komplett als Naturschutzgebiet gelten, seien wichtige Rückzugsgebiete für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Und auch er weiß, dass der Erhalt menschlicher Pflege bedürfe.
Der Grat zwischen wirtschaftlichen und umweltschutzorientierten Gesichtspunkten sei manchmal sehr schmal. Um verstehen zu können, wie notwendig manches sei, brauche es den Austausch zwischen Forst und Bevölkerung. Nur so könnten diese Gräben, in Form von Wissenslücken, zugeschüttet werden.
Zu den möglichen Wissenslücken gehört unter anderem die Eiche. Oft gelte sie ja als der standhafte Baum, der auch hin und wieder von Politikern herangezogen wird, wenn es um deutsches Sein gehe. Doch es sei Vorsicht geboten. Die deutsche Eiche, so Schneble und Kolb, sei „ein echtes Sensibelchen“ oder schlicht „eine ziemliche Diva“.
Die Eiche sei eine Lichtbaumart. Heißt, sie brauche Licht, um gut zu wachsen. Nur werde ihr dieses Licht von anderen Bäumen, wie der Kirsche, streitig gemacht. In der Folge wachsen diese Bäume in die Krone der Eiche hinein und stören sie massiv. Ohne Mensch hätte sie in Wäldern, wie auf der Rheininsel, nur wenig Erfolg.
Und für den Menschen heißt das in diesem Fall, die konkurrierenden Bäume müssen gefällt werden. Unter die Arme greifen muss man ihr von Anfang an. Denn auch bodenbedeckende Sträucher würden der Eiche kaum eine Chance gewähren. Die Eiche als starker und eigenständiger Solitär im Wald, dieses Bild ist jedenfalls schief. Was die Eiche übrigens auch wertvoll macht, sei ihr Sterbeprozess. In dieser Zeit sei sie ein absoluter Hotspot für die Artenvielfalt.
Große Probleme bereiten den Förstern aktuell die Esche. Aus wirtschaftlicher Sicht ein begehrter Baum, leide sie seit einigen Jahren an einer Pilzerkrankung, dessen Symptome Schneble als Eschentriebstörung beschreibt. Vor einigen Jahren gelang es dem Pilz, die sogenannte Blatt-Holz-Schranke zu durchbrechen. Es gelingt ihm also, von den Blättern in das Holz einzudringen. Beim Abwehrkampf blockiert der Baum selbst seine Triebe und je weiter der Pilz vorankommt, desto mehr schnürt sich der Baum ab. „Am Ende bringt sich der Baum sozusagen selbst um.“
Die Eschen auf der Rheininsel sind, so glauben beide Förster, verloren. Und so denken sie in einem 1,3 Hektar großen Gebiet mit vielen 80-jährigen Eschen darüber nach, alle zu fällen. Das sei natürlich ein massiver Eingriff, wenn auch nur auf 0,2 Prozent der Rheininsel-Fläche. Für Ihrig und seine Kollegen vom Umweltstammtisch trotzdem keine wirklich schönen Überlegungen. Das gilt übrigens auch für Schneble und Kolb.
Doch klar sei auch, dass man nicht einfach weggucken könne. In Zeiten des schnellen, weil menschgemachten Klimawandels, müsse der Mensch dem Wald beistehen. Und das heißt für die Förster zum Beispiel, Eichen zu pflanzen und dementsprechend für Platz zu sorgen. Die Eiche gilt als Baum, der mit dem Klimawandel eher zurechtkomme. Hoffnung macht in diesem Kontext, so Kolb, dass die Grundwassersituation auf der Rheininsel gut sei. Da habe man in Regionen wie dem Schwetzinger Hardt deutlich massivere Probleme.
Trotz starken Regens waren am Ende alle von der gemeinsamen Begehung begeistert. Gerade im Wald müsse man in sehr langen Linien denken und dafür bedarf es viel Wissen, das in genau solchen Begehungen vor Ort außerordentlich gut vermittelt werden kann. Es ist wie immer, so der Tenor in der kleinen Truppe, miteinander reden hilft immer.
Bericht aus der Schwetzinger Zeitung, Stefan Kern vom 27. April 2024